[Kartierung des Curriculums des Modellstudiengangs Medizin der Charité Berlin gegen den Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin 2.0]
Tabea Theurich 1Ylva Holzhausen 1
Olaf Ahlers 2,3
Harm Peters 1
1 Charité – Universitätsmedizin Berlin, Dieter-Scheffner-Fachzentrum für medizinische Hochschullehre und evidenzbasierte Ausbildungsforschung, Prodekanat für Studium und Lehre, Berlin, Deutschland
2 Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Fakultät für Gesundheitswissenschaften Brandenburg, Institut für Gesundheitswissenschaftliche Ausbildungsforschung, Neuruppin, Deutschland
3 Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Informatik, Berlin, Deutschland
Zusammenfassung
Hintergrund: Der Nationale Kompetenzbasierte Lernzielkatalog Medizin (NKLM) soll Standards für die medizinische Ausbildung in Deutschland setzen. Derzeit wird der NKLM 2.0 überarbeitet und die medizinischen Fakultäten wurden aufgerufen, diese Version zu evaluieren. In dieser Studie werden die Lernziele des Modellstudiengangs Medizin (MSM) der Charité Berlin gegen die Items des NKLM 2.0 kartiert. Dabei kommen Verfahren, wie bei der vorherigen Kartierung des NKLM 1.0 zum Einsatz, um einen Vergleich zu ermöglichen.
Methoden: Ein zweistufiger Prozess wurde zur Ermittlung des curricularen Abdeckungsgrads verwendet. Zunächst wurden die Lernziele des MSM mithilfe der Curriculum-Management-Plattform LOOOP den Items des NKLM 2.0 zugeordnet. Anschließend wurde der Abdeckungsgrad des NKLM 2.0 durch den MSM mithilfe von drei quantitativen Ansätzen und einem qualitativen Ansatz (Inhaltsvergleich) berechnet. Abschließend wurden die Ergebnisse der NKLM 2.0-Abdeckung mit den Ergebnissen der vorherigen NKLM 1.0-Kartierung verglichen.
Ergebnisse: Der Kartierungs-Prozess ergab 11.879 Übereinstimmungen zwischen 4.396 MSM-Lernzielen und 2.813 NKLM 2.0-Items. Der Abdeckungsgrad des NKLM 2.0, basierend auf dem qualitativen Inhaltsvergleich, erhöhte sich auf 52%, verglichen mit 41% für den NKLM 1.0. Während einige NKLM 2.0-Kapitel deutliche Steigerungen des Abdeckungsgrades aufwiesen (VII +25%, VIII +20%), waren in anderen Kapiteln relevante Rückgänge zu verzeichnen (V -8%, VI -8%).
Diskussion: Im Vergleich zum NKLM 1.0 hat sich die Abdeckung des NKLM 2.0 durch MSM-Lernziele verbessert. Der nach wie vor niedrige Abdeckungsgrad von nur 52% legt jedoch nahe, dass der Inhalt des NKLM im Zuge zukünftiger Revisionen deutlich reduziert werden sollte. Andernfalls wird er nicht realistisch im gegebenen Rahmen für die medizinischen Ausbildung in Deutschland umgesetzt werden können.
Schlüsselwörter
Nationaler Kompetenzbasierter Lernzielkatalog Medizin (NKLM), curriculare Kartierung, Medizinstudium, kompetenzbasierte Ausbildung
1. Einleitung
Nationale Kompetenzrahmenwerke bilden einen Eckpfeiler der kompetenzbasierten medizinischen Ausbildung (CBME) in Ländern wie Kanada, dem Vereinigten Königreich, der Schweiz und in jüngerer Zeit auch in Deutschland [1], [2], [3]. Diese Rahmenwerke operationalisieren und harmonisieren Standards für den Kern der Kenntnisse, Fähigkeiten und Einstellungen, die Absolventen*innen im Laufe einer medizinischen Ausbildung auf nationaler Ebene erwerben sollten [4], [5], [6]. Der Nationale Kompetenzbasierte Lernzielkatalog Medizin (NKLM) des Medizinischen Fakultätentages (MFT) zielt darauf ab, Standards für die medizinische Ausbildung in Deutschland festzulegen. Die erste Version (NKLM 1.0) erschien 2015, die umfassend überarbeitete Fassung (NKLM 2.0) wurde 2021 veröffentlicht [https://nklm.de/zend/menu]. Die medizinischen Fakultäten in Deutschland wurden vom MFT aufgefordert, den NKLM 2.0 auf seine Umsetzbarkeit und Praxistauglichkeit hin zu evaluieren. Es sollen Informationen gesammelt werden, die zur Weiterentwicklung des NKLM beitragen können. Ziel dieser Studie ist es, dem Aufruf nachzukommen und eine Kartierung des Curriculums des Modellstudiengangs Medizin (MSM) der Charité auf den NKLM 2.0 vorzunehmen, um die Abdeckung durch den überarbeiteten nationalen Standard zu ermitteln. Dabei werden die methodischen Ansätze wie zuvor bei der Kartierung des NKLM 1.0 verwendet, um einen Vergleich der Ergebnisse zu ermöglichen.
In früheren Arbeiten hat unsere Gruppe die Lernziele des MSM über die interne LOOOP-Curriculum-Management-Plattform mit dem Namen Lehrveranstaltungs- und Lernzielplattform [https://lernziele.charite.de/zend/] auf den NKLM 1.0 kartiert. Der MSM ist ein integriertes, kompetenzbasiertes Curriculum, das im Einklang mit dem kompetenzbasierten Rahmen des NKLM und der geplanten Reform der deutschen Approbationsordnung für Ärzte steht [https://www.gesetze-im-internet.de/_appro_2002/BJNR240500002.html]. Bei der Konzeption und Implementation des MSM wurde ein outcome-orientierter Ansatz verfolgt, der auf einem, an der Charité entwickelten, Kompetenzrahmen aufbaut [7]. Dieser Rahmen enthält, ähnlich wie der NKLM, spezifizierte Wissens-, Fertigkeits- und Kompetenzbereiche. Die Lernziele des MSM wurden in einem fakultätsweiten Prozess definiert, in dessen Ergebnis für alle Lehrveranstaltungen spezifische Lernziele festgelegt wurden. Ein besonderes Merkmal dieses Prozesses war das kontinuierliche Co-Design unter Beteiligung von Fachvertreter*innen der verschiedenen Disziplinen mit Curriculumsentwickler*innen und Studierenden [7], [8]. Dadurch war es möglich, die Breite und Tiefe der Lerninhalte realistisch auf die verfügbare Zeit in den verschiedenen Lehrformaten – einschließlich der Vor- und Nachbereitungszeit für die Studierenden – abzustimmen.
In unserer früheren Arbeit haben wir die relative Abdeckung des NKLM 1.0 durch den MSM anhand von vier methodischen Ansätzen bewertet. Dazu gehörten drei primär quantitative Methoden (Einfachzuordnung, Mehrfachzuordnung und Übergeordnete-Ebenen-Zuordnung) sowie ein qualitativer Ansatz (qualitativer Inhaltsvergleich), um komplementäre Perspektiven auf die Abdeckung des Curriculums zu ermitteln [9]. Die quantitativen Methoden mit den numerischen Abgleichen zeigten zwar die Breite der Abdeckung auf, konnten jedoch nicht die Tiefe und Qualität der Inhalte abbilden. Dies führte zu einer systematischen Überschätzung der tatsächlichen Abdeckung (z. B. 73% mit der Einfachzuordnung). Im Gegensatz dazu lieferte der qualitative Inhaltsvergleich eine genauere Erfassung von der Breite und der Tiefe der curricularen Abdeckung. Er ergab, dass die MSM-Lernziele nur 41% des NKLM 1.0 abdeckten [9]. Bis heute ist dies die einzige veröffentlichte Studie, die ein gesamtes Curriculum gegen den NKLM 1.0 kartiert hat. Andere Berichte konzentrierten sich auf spezifische methodische Aspekte, wie z.B. das Übergeordnete Ebenen-Zuordnungsverfahren oder auf bestimmte Inhaltsbereiche, wie z.B. Forschungskompetenzen [4], [10], [11].
Der NKLM 2.0 stellt eine umfassend überarbeitete Version des NKLM 1.0 dar. Bislang liegt keine Studie vor, die ein komplettes medizinisches Curriculum einer deutschen medizinischen Fakultät systematisch gegen den NKLM 2.0 kartiert hat. Vielmehr wurden Ergebnisse von Teilkartierungen mit dem neuen NKLM 2.0 veröffentlicht. So berichteten Plange et al., in welchem Umfang die Augenheilkunde im NKLM 2.0 berücksichtigt wird [12]. Die Deutsche Röntgengesellschaft (DRG) entwickelte ein Radiologie-Curriculum, das in den NKLM 2.0 einfloss [13]. Die Medizinische Hochschule Hannover hat einen Teil der Lernziele des NKLM 2.0 evaluiert, indem sie diese mit bereits bestehenden Kartierungen des NKLM 1.0 abgeglichen und bewertet hat [11].
Das primäre Ziel dieser Studie war es, die Lernziele des MSM systematisch gegen die Items des NKLM 2.0 zu kartieren. Dazu wurde ein zweistufiges Vorgehen gewählt, das vier verschiedene Berechnungsansätze zur Ermittlung des Abdeckungsgrads umfasst und auf der Methodik unserer früheren Kartierung zum NKLM 1.0 basiert [9]. Das sekundäre Ziel bestand darin, die den Grad der Abdeckung des MSM zwischen dem NKLM 1.0 und dem NKLM 2.0 zu vergleichen. Die Ergebnisse dieser Studie sollen in die Weiterentwicklung zukünftiger NKLM-Versionen einfließen und den laufenden Überarbeitungsprozess des NKLM 2.0 unter der Leitung des MFT und seiner Arbeitsgruppen ergänzen.
2. Methodik
2.1. Studienrahmen
Die Studie wurde von Dezember 2022 bis April 2024 am Dieter-Scheffner-Fachzentrum für medizinische Hochschullehre und evidenzbasierte Ausbildungsforschung an der Charité - Universitätsmedizin Berlin (Charité) unter Verwendung der Curriculum-Management-Plattform LOOOP durchgeführt [14]. Die curriculare Kartierung des NKLM 2.0 folgte der etablierten Vorgehensweise bei der Kartierung des NKLM 1.0, um einen direkten Vergleich zwischen beiden Studien zu ermöglichen.
2.2. Aufbau des MSM
Der MSM umfasst eine Studienzeit von sechs Jahren, einschließlich eines abschließenden Praktischen Jahres. Die ersten fünf Jahre gliedern sich in 40 Module. Vier dieser Module enthalten keine für alle Studierenden verpflichtenden Lernziele, da es sich um Repetitorien- oder Wahlpflichtmodule handelt. Insgesamt umfasst das Studium 3.580 Unterrichtsstunden à 45 Minuten, denen insgesamt 4.396 Lernziele zugeordnet sind. Für das Praktische Jahr sind keine spezifischen Lernziele definiert. Die MSM-Lernziele sind in drei hierarchische Ebenen gegliedert: kompetenzbasierte Ausbildungsziele (Ebene 1), übergreifende Lernziele auf Modulebene (Ebene 2) und unterrichtsspezifische Lernziele (Ebene 3). Die Lernziele sind nach Wissen, Fähigkeiten und Einstellungen kategorisiert und folgen einer LOOOP-spezifischen Taxonomie, die sich an der Millerschen Pyramide [15] und der Bloomschen Taxonomie [16] orientiert. Die MSM-Lernziele, die für alle Studierenden verpflichtend sind, decken etwa 80% der Unterrichtszeit des Studiums ab.
2.3. Aufbau des NKLM
Der NKLM 2.0 besteht aus mehreren Kapiteln. Die Kapitel I-IV enthalten einführende und erläuternde Inhalte. Kapitel V beschreibt 167 „Konsultationsanlässe“ und Kapitel VI listet 598 „Erkrankungen“ auf, die in 11 Kategorien unterteilt sind. Die Kapitel VII und VIII folgen einer dreistufigen Struktur, die 97 „Kompetenzen“, 340 „Teilkompetenzen“ und 2.048 „Lernziele“ mit zunehmender Granularität umfasst. Da der NKLM 2.0 in verschiedene Abschnitte mit abweichender Terminologie unterteilt ist, wird in diesem Artikel der Sammelbegriff „NKLM-Items“ für Konsultationsanlässe, Erkrankungen und Lernziele verwendet. Der NKLM zielt darauf ab, etwa 70-80% des Inhalts eines Medizinstudiengangs in Deutschland abzudecken.
Der NKLM 2.0 verwendet zwei Systeme zur Definition der Tiefe von Lernzielen auf der Grundlage der LOOOP-Taxonomie (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Während in den Kapiteln V und VI buchstabencodierte Deskriptoren für verschiedene Aspekte von Konsultationsanlässen oder Erkrankungen verwendet werden, werden in den Kapiteln VII und VIII den Kompetenztiefen Zahlencodes zugeordnet. Die Kapitel des NKLM 2.0 interagieren über ca. 15.000 Querverweise miteinander. Diese wurden im Prozess der Kartierung nicht berücksichtigt, da der zusätzliche Arbeitsaufwand unverhältnismäßig hoch gewesen wäre.
Tabelle 1: Deskriptoren und Kompetenztiefen, die im Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin 2.0 (NKLM) verwendet werden. Es gibt zwei Systeme, eines für die Kapitel V und VI (A) und eines für die Kapitel VII und VIII (B). Der Buchstabe W steht für „Wissen“ und der Buchstabe H „Handlungskompetenz“.
Im Zuge der Entwicklung des NKLM 2.0 wurde die Struktur des NKLM 1.0 überarbeitet. Tabelle 2 [Tab. 2] stellt die entsprechenden Kapitel beider Versionen gegenüber [https://nklm.de/zend/menu].
Tabelle 2: Übersicht über die Veränderungen in der Struktur des überarbeiteten Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs Medizin (NKLM) 2.0. Dargestellt sind die entsprechenden Kapitel des NKLM 1.0 und des NKLM 2.0.
2.4. Beschreibung des Kartierungsprozesses
Die curriculare Kartierung wurde mit Hilfe der LOOOP-Plattform durchgeführt. Die Plattform ermöglicht es, die Ebenenstruktur der MSM-Lernziele und der NKLM 2.0-Items aufeinander abzustimmen und dabei eine systematische und transparente Zuordnung sicherzustellen.
Die MSM-Lernziele wurden in einem zweistufigen Prozess gegen die NKLM 2.0-Items kartiert. Zunächst wurden die MSM-Lernziele der Ebene 3 den NKLM 2.0-Items zugeordnet. Anschließend wurde der Grad der Abdeckung mithilfe von vier methodischen Ansätzen ermittelt. Diese basieren auf der von Gulbis et al. [9] angewandten Methodik zur Kartierung des NKLM 1.0. Die Kartierung erfolgte nach dem Prinzip der gegenseitigen Kontrolle (Vier-Augen-Prinzip), um die Reliabilität zu erhöhen und Verzerrungen zu minimieren. Unstimmigkeiten wurden durch Diskussionen geklärt, bis ein Konsens erzielt wurde. Das Kartierungsteam bestand aus einer Senior-MSM-Studierenden (Autorin TT) sowie dem Leiter des Dieter-Scheffner-Fachzentrums für medizinische Hochschullehre und evidenzbasierte Ausbildungsforschung (Autor HP), der maßgeblich an der Entwicklung und Implementierung des MSM sowie an der vorherigen NKLM 1.0-Kartierung beteiligt war.
Der NKLM 2.0 wurde gegen die MSM-Lernziele aus dem Sommersemester 2022 kartiert. Der Schwerpunkt lag dabei auf der jeweils detailliertesten Ebene beider Kataloge, um eine spezifische Analyse ihrer Übereinstimmung zu ermöglichen. Die Kartierung umfasste 2.813 NKLM-Items und 4.396 MSM-Lernziele. Im Vergleich zur Kartierung auf Basis des Sommersemesters 2018, die für die NKLM 1.0-Analyse herangezogen wurde, ergaben sich nur geringfügige Änderungen in der Struktur und Formulierung der MSM-Lernziele.
2.4.1. Schritt 1 – Zuordnung von MSM-Lernzielen zu NKLM 2.0-Items
Die Zuordnung erfolgte in einem dreistufigen Verfahren. Zuerst führte TT eine Vorwärtskartierung durch, bei der die MSM-Lernziele den NKLM 2.0-Items zugeordnet wurden. Grundlage hierfür waren Stichwortsuchen sowie bereits bestehende Zuordnungen aus der vorherigen NKLM 1.0-Kartierung, die in der LOOOP-Plattform hinterlegt sind. Die dabei verwendeten Leitprinzipien wurden im Verlauf des Prozesses iterativ weiterentwickelt. HP überprüfte dann sämtliche Zuordnungen auf ihre inhaltliche Richtigkeit. In einer Rückwärtskartierung wurden schließlich NKLM-Items zu MSM-Lernzielen zugeordnet. Der Schwerpunkt lag hierbei auf NKLM-Items, die bislang ohne eine Zuordnung von MSM-Lernzielen geblieben waren. Für diesen Schritt wurde die Lehrveranstaltungs- und Lernzielplattform (LLP) [https://lernziele.charite.de/zend/] zur Suche von potenziellen Zuordnungen genutzt.
Die folgenden Leitprinzipien wurden bei der Kartierung berücksichtigt, um deren Konsistenz, Transparenz und Richtigkeit zu gewährleisten:
- Eine Zuordnung zwischen einem MSM-Lernziel und einem NKLM 2.0-Item erfolgte bei inhaltlicher Übereinstimmung, unabhängig vom Grad der Übereinstimmung.
- Die Konsultationsanlässe wurden nicht den zugrunde liegenden möglichen Erkrankungen zugeordnet, es sei denn, diese wurden explizit angegeben.
- Nur explizite Aussagen in den Lernzielen wurden im Kartierungsprozess berücksichtigt. Im Falle von Unterricht am Krankenbett im MSM wurden die Informationen zu den hier behandelten Erkrankungen aus der LLP entnommen [https://lernziele.charite.de/zend/].
- Der Deskriptor "G" für Wissen aus den Grundlagenwissenschaften wurde erst ab dem fünften Semester kartiert, da er sich auf die Vermittlung von Grundlagenwissen im klinischen Kontext bezieht. Konsultationsanlässe oder Erkrankungen wurden auch NKLM-Items zugeordnet, wenn kein Deskriptor zutraf.
- Die kartierten MSM-Lernziele und NKLM-Items wurden jeweils der gleichen Kategorie („Wissen“ oder „Fertigkeiten“) auf Grundlage der LOOOP-Taxonomie zugeordnet.
2.4.2. Schritt 2 – Ermittlung der relativen Abdeckung des NKLM 2.0 durch den MSM
In diesem Schritt wurden vier Ansätze verwendet, die auf etablierten Methoden der curricularen Kartierung sowie auf unserer früheren Arbeit zum NKLM 1.0 [17, 18, 9] aufbauen. Die Kombination aus primär quantitativen und qualitativen Ansätzen wurde gewählt, um sich ergänzende Perspektiven auf die curriculare Abdeckung durch den MSM zu erhalten. Anhang 1 [Anh. 1] visualisiert die drei quantitativen Kartierungsansätze zum besseren Verständnis. Der Ansatz des qualitativen Inhaltsvergleichs erlaubt tiefergehende Einblicke in die Übereinstimmung der Inhalte in Bezug auf den Umfang und Tiefe des Abdeckungsgrades.
Die Ergebnisse der Kartierung aus Schritt 1 wurden als Datensätze exportiert, und der Grad der NKLM 2.0-Abdeckung durch den MSM anhand der folgenden Ansätze ermittelt:
- Einfachzuordnung: Ein NKLM-Item galt als abgedeckt, wenn mindestens ein MSM-Lernziel zugeordnet wurde.
- Mehrfachzuordnung: Ein NKLM-Item galt als abgedeckt, wenn mindestens drei MSM-Lernziele zugeordnet wurden.
- Übergeordnete Ebenen-Zuordnung: Die Abdeckung eines NKLM-Items auf Ebene 2 wurde auf der Grundlage des Prozentsatzes seiner untergeordneten Items (Ebene 3) abgeleitet, die mittels Einfachzuordnung als abgedeckt zählen.
- Qualitativer Inhaltsvergleich: Der qualitative Ansatz wurde auf Grundlage der Struktur des NKLM 2.0 in zwei Varianten durchgeführt. Beide Varianten verwendeten dieselbe Skala, um den Grad der Abdeckung zu ermitteln
0=0%, 1=1%-20%, 2=21%-40%, 3=41%-60%, 4=61%-80%, 5=81%-100%.
4.1. Variante 1 (Kapitel V & VI): Die Kompetenztiefe wurde für „W“ (Wissen) mit 1 Punkt und für „H“ (Handlungskompetenz) mit 2 Punkten bewertet. Jedes NKLM 2.0-Item konnte auf der Grundlage der sechs Deskriptoren (D, T, N, P, M=jeweils 2 Punkte, G=1 Punkt) maximal 11 Punkte erreichen. Die erreichte Gesamtpunktzahl für zugeordnete MSM-Ziele wurde in eine Skala von 0 bis 5 umgewandelt.
4.2. Variante 2 (Kapitel VII und VIII): Jede*r Bewerter*in bewertete den Grad der inhaltlichen Abdeckung für sich und vergab dafür 0-5 Punkte. Wenn die MSM-Lernziele nicht mit der Kompetenztiefe des NKLM übereinstimmten, wurde die Punktzahl um mindestens einen Punkt reduziert. Bei vollständigem Konsens (keine Differenz) wurde die gewählte Punktzahl beibehalten. Bei gutem Konsens (Differenz von 1) wurde aufgerundet, und bei keinem Konsens (Differenz>1) wurde diskutiert und eine endgültige Punktzahl untereinander abgestimmt.
Der Kartierungsprozess erstreckte sich über 16 Monate und erforderte ca. 1.500 Arbeitsstunden von TT und HP.
2.5. Statistische Auswertung
Die statistische Analyse wurde mit IBM SPSS Statistics 29.0.1.1 und Microsoft Excel 16.83 durchgeführt. Die deskriptiven Statistiken umfassten absolute und relative Zahlen sowie Mittelwerte. Für die Berechnung der gewichteten Mittelwerte wurde jeder Mittelwert mit seinem jeweiligen Gewicht multipliziert. Die Gewichtung ergab sich aus dem Anteil der Lernziele eines Unterkapitels im Verhältnis zur Gesamtanzahl der Lernziele des übergeordneten Kapitels. Die Summe dieser gewichteten Werte stellte den endgültigen gewichteten Mittelwert dar. Die Interrater-Reliabilität beim qualitativen Ansatz in den Kapiteln VII und VIII wurde anhand von Cohens Kappa berechnet. Aufgrund der numerischen Analyse im qualitativen Inhaltsvergleich der Kapitel V und VI, wurde für diese Kapitel keine Interrater-Reliabilität berechnet. Die Vergleiche des Abdeckungsgrads zwischen NKLM 1.0 und 2.0 basieren auf den korrespondierenden Kapiteln, wie in Tabelle 2 [Tab. 2] dargestellt.
3. Ergebnisse
3.1. Schritt 1 – Zuordnung der MSM-Lernziele zu den NKLM 2.0-Items
Im Rahmen der Kartierung erfolgten insgesamt 11.879 Zuordnungen zwischen 4.396 MSM-Lernzielen und 2.813 NKLM 2.0-Items. Dabei konnten 98% der MSM-Lernziele mindestens einem NKLM-Item zugeordnet werden. Tabelle 3 [Tab. 3] gibt einen Überblick über die numerischen Ergebnisse, während Abbildung 1 [Abb. 1] die Anzahl der Kartierungen pro NKLM-Item und pro NKLM-Kapitel visualisiert. Im Durchschnitt wurden 4,2 MSM-Lernziele pro NKLM-Item zugeordnet. Diese Zahl stieg auf 5,0, wenn NKLM-Items ohne Zuordnung nicht berücksichtigt wurden. Insgesamt konnten 417 NKLM-Items (15%) keinem MSM-Lernziel zugeordnet werden. Den höchsten Anteil an Items ohne Zuordnung fand sich in Kapitel V (Konsultationsanlässe) mit 30%, den niedrigsten in Kapitel VII (Übergeordnete und krankheitsbezogene Lernziele) mit 12%.
Tabelle 3: Absolute Werte (n) und Mittelwerte (M) der Kartierung der Lernziele des Modellstudiengangs Medizin (MSM) gegen die Items des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs Medizin 2.0 (NKLM).
Abbildung 1: Übersicht über die Anzahl der Kartierungen von Lernzielen des Modellstudiengangs Medizin (MSM) der Charité gegen die Items des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs Medizin 2.0 (NKLM), aufgeteilt in Kategorien von 0 bis mehr als 10 Zuordnungen pro Item (siehe Legende im unteren Bereich der Abbildung).
3.2. Schritt 2 – Ermittlung der relativen Abdeckung des NKLM 2.0 durch den MSM
Tabelle 4 [Tab. 4] und Abbildung 2 [Abb. 2] zeigen die Ergebnisse des qualitativen Inhaltsvergleichs für alle Kapitel des NKLM 2.0. Die Interrater-Reliabilität war bei den Kapiteln VII und VIII mit Cohen’s kappa=0,68 hoch. Die Beurteiler*innen erreichten in 75% der Fälle (n=1.320) einen vollständigen Konsens, in 17% (n=298) einen guten Konsens und in 8% (n=149) keinen Konsens.
Tabelle 4: Absolute Werte (n) und Mittelwerte (M) für die Abdeckungsgrade der Items des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs Medizin 2.0 (NKLM) durch die Lernziele des Modellstudiengangs Medizin (MSM) basierend auf dem qualitativen Inhaltsvergleich. Die Bewertungen reichen von 0 (keine Übereinstimmung) bis 5 (>80-100% Übereinstimmung) und repräsentieren die relativen Abdeckungsgrade in Prozent.
Abbildung 2: Relative Abdeckungsgrade der Kapitel des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs Medizin 2.0 (NKLM) durch die Lernziele des Modellstudiengangs Medizin (MSM) auf Basis des qualitativen Inhaltsvergleichs. Die Bewertungen reichen von 0 (keine Übereinstimmung) bis 5 (>80-100% Übereinstimmung) und stellen den relativen Abdeckungsgrad in Prozent dar (siehe Legende im unteren Bereich der Abbildung).
Der Grad der qualitativ-inhaltlichen Abdeckung der NKLM 2.0-Items durch die MSM-Lernziele variierte zwischen den NKLM-Kapiteln. Der niedrigste Wert wurde in Kapitel V (Konsultationsanlässe) und der höchste in Unterkapitel VII.4 (Notfallmaßnahmen) verzeichnet.
Abbildung 3 [Abb. 3] visualisiert den Grad der Abdeckung aller vier Verfahren. In Tabelle 5 [Tab. 5] werden die Ergebnisse miteinander verglichen. Die höchsten Abdeckungsgrade wurden mit der Einfachzuordnung und der Übergeordneten Ebenen-Zuordnung erzielt (85% bzw. 86%), während die Mehrfachzuordnung den niedrigsten Abdeckungsgrad aufwies (46%). Beim qualitativen Inhaltsvergleich ergab sich eine Abdeckung des NKLM durch den MSM von 52%.
Abbildung 3: Übersicht über die Abdeckungsgrade des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs Medizin 2.0 (NKLM) insgesamt und nach Kapiteln auf Grundlage der Kartierung der Lernziele des Modellstudiengangs Medizin (MSM) anhand der vier Zuordnungsverfahren: Einfachzuordnung, Mehrfachzuordnung, Übergeordnete Ebenen-Zuordnung und qualitativer Inhaltsvergleich (n.d.=nicht definiert). Die grünen Bereiche zeigen den geschätzten Abdeckungsgrad.
Tabelle 5: Grad der Abdeckung des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs Medizin 2.0 (NKLM) insgesamt und nach Kapiteln, basierend auf der Kartierung des Curriculums des Modellstudiengangs Medizin (MSM). Die Daten sind unterteilt in die vier verschiedenen Verfahren: Einfachzuordnung, Mehrfachzuordnung, Übergeordnete Ebenen-Zuordnung und qualitativer Inhaltsvergleich (n.d.=nicht definiert).
3.3. Vergleich der Abdeckung des NKLM 1.0 und des NKLM 2.0 durch den MSM
Im Vergleich zu unserer vorherigen Kartierung des NKLM 1.0 ergaben sich in dieser Studie Veränderungen hinsichtlich der Anzahl der MSM-Lernziele und NKLM-Items. Während die Anzahl der MSM-Lernziele von 4.490 (2018) auf 4.396 (2022) leicht zurückging (-3%), stieg die Anzahl der NKLM-Items von 2.105 auf 2.813 (+34%). Der größte Zuwachs war in Kapitel VII (übergeordnete und krankheitsbezogene Lernziele) zu verzeichnen (+507 Items).
Tabelle 6 [Tab. 6] vergleicht den Abdeckungsgrad des NKLM 1.0 und 2.0 in den einzelnen Kapiteln. Der NKLM 2.0 wies bei allen vier Verfahren eine höhere Abdeckung durch die MSM-Lernziele auf. Der größte Zuwachs war bei der übergeordneten Ebenen-Zuordnung zu verzeichnen (+19%), während der geringste Zuwachs bei der Mehrfachzuordnung (+4%) zu verzeichnen war. Beim qualitativen Inhaltsvergleich wurde ein Gesamtanstieg von 11% verzeichnet, mit deutlichen Zuwächsen in den Kapiteln VII (+25%) und VIII (+20%) sowie Rückgängen in den Kapiteln V und VI (jeweils -8%).
Tabelle 6: Vergleich der Abdeckungsgrade des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs Medizin 1.0 (NKLM 1.0) und des NKLM 2.0 durch die curriculare Kartierung der Lernziele des Modellstudiengangs Medizin (MSM) bezogen auf die vier verschiedenen Ansätze. Die Ergebnisse werden analog zu den entsprechenden Kapiteln des NKLM 1.0 und des NKLM 2.0 dargestellt (siehe Tabelle 2).
4. Diskussion
CBME-Rahmenwerke wie der NKLM für das Medizinstudium zielen darauf ab, dass die Studierenden nach Abschluss ihres Studiums über die erforderlichen Kompetenzen – Wissen, Fertigkeiten und Einstellungen – verfügen, um nach Beginn ihrer ärztlichen Weiterbildung einen effektiven Beitrag zur Patientenversorgung leisten zu können. Die vorliegende Studie zeigt, dass der grundlegend überarbeitete NKLM 2.0 nur zu 52% durch die Lernziele des kompetenzbasierten Medizinstudiengangs unserer Fakultät abgedeckt wird. Im Folgenden werden Methodik und Ergebnisse dieser curricularen Kartierung im Kontext der Literatur diskutiert – insbesondere im Vergleich zu unserer früheren Arbeit zur Zuordnung des MSM zum NKLM 1.0 [9].
Der Prozess der Kartierung wurde durch die spezifische Funktion der LOOOP-Plattform erheblich erleichtert. So war es möglich, auf früheren Arbeiten aufzubauen, in denen die MSM-Lernziele bereits den NKLM 1.0 zugeordnet waren. Dennoch blieb die Kartierung insgesamt sehr arbeitsintensiv. Mit Hilfe der LOOOP-Plattform konnten wir die schriftlich festgehaltenen NKLM-Items und die MSM-Lernziele als explizit deklarierte Curriculumsinhalte kartieren. Schriftlich formulierte Lernziele sind für CBME von grundlegender Bedeutung. Sie bieten eine transparente Grundlage für das „Constructive Alignment“ zwischen gelehrtem, gelerntem und geprüftem Curriculum, sowie für die Kommunikation der Inhalte mit allen Beteiligten, wie medizinische Fakultäten als Organisation, Lehrenden, Studierenden und Curriculumsentwickler*innen [19]. Insgesamt lieferten die drei primär quantitativen Methoden einen allgemeinen Überblick über die abgedeckten NKLM 2.0-Items, ihre Verteilung auf die Kapitel sowie die Anzahl der entsprechenden MSM-Lernziele. Sie erfassten jedoch nicht die Breite und die Tiefe der tatsächlichen inhaltlichen Abdeckung, die von sehr gering bis hin zu vollständig reichten. Diese Herangehensweise lässt sich mit der Schätzung der Fischmenge in einem See vergleichen, bei der lediglich die Anzahl der Fische gezählt wird, ohne dass aber Unterschiede in Größe oder Art berücksichtigt werden. Dies ist eine wichtige Einschränkung in ihrer Aussagekraft, da die meisten publizierten Ergebnisse zum Grad der curricularen Abdeckung ausschließlich auf quantitativen Ansätzen basieren [4], [10], [20]. Da die Lernziele eine qualitative Beschreibung der Breite und Tiefe der zu vermittelnden Inhalte darstellen, argumentieren wir, dass die Ermittlung des Abdeckungsgrads eines Curriculums wie des MSM durch das NKLM 2.0 einen qualitativen Ansatz mit Inhaltsvergleichen zwischen den Lernzielen erfordert, um den Grad der inhaltlichen Abdeckung bestmöglich zu ermitteln und zu beschreiben.
Der Ansatz des qualitativen Inhaltvergleichs ergab, dass insgesamt 52% des NKLM 2.0 durch die MSM-Lernziele abgedeckt waren. Dies stellt eine deutliche Verbesserung gegenüber der Abdeckung durch den NKLM 1.0 dar. Die Abdeckung variierte jedoch erheblich zwischen den einzelnen Kapiteln. Während sie in den Kapiteln VII und VIII deutlich zunahm, nahm sie in den Kapiteln V und VI ab. Die Ergebnisse zur Gesamtabdeckung des NKLM 2.0 haben potenzielle Auswirkungen auf den zukünftigen Medizinstudiengang unter den in Deutschland gegebenen Rahmenbedingungen. Bleibt die Tiefe und Breite des NKLM auf dem gegenwärtigen Niveau, müsste die Dauer des Studiums auf 12 Jahre verdoppelt werden, um seine Inhalte auf eine realistisch umsetzbare Weise vermitteln zu können. Da eine Verdoppelung der Studiendauer jedoch keine ernsthafte Option darstellt, sollten die laufenden Anstrengungen zur Überarbeitung des NKLM darauf abzielen, dessen Gesamtumfang auf Basis des qualitativen Inhaltsvergleichs in dieser Studie um etwa 50% zu reduzieren.
Ein wesentlicher Grund für die beobachtete Diskrepanz zwischen dem Umfang des NKLM 2.0 und den MSM-Lernzielen liegt vermutlich in der unterschiedlichen Entstehung ihrer jeweiligen Inhalte. Die NKLM 2.0-Items wurden größtenteils im Rahmen eines breit angelegten Expert*innenprozesses entwickelt, in den auch Studierende sowie Hausärzte*innen einbezogen wurden. Es gab jedoch keine formale Beschränkung der Inhalte, die aufgenommen werden sollten. Im Gegensatz dazu wurden die MSM-Lernziele im Rahmen eines strukturierten, fakultätsweiten Entwicklungsprozesses formuliert. Dieser wurde aktiv von Studierenden mitgestaltet und konsequent auf die Realität der verfügbaren Unterrichtszeiten und -formate (d. h. die inhaltliche Umsetzbarkeit) abgestimmt [7]. Infolgedessen konnte ein Teil der vorgeschlagenen Inhalte aufgrund von Umsetzbarkeitsbeschränkungen nicht in das MSM-Curriculum aufgenommen werden.
Die Definition eines kompetenzbasierten Rahmenwerks wie das NKLM ist in mehrfacher Hinsicht eine anspruchsvolle Herausforderung. Das erste Problem ist die inhaltliche Validität, also die Entscheidung, welche Themen aufgenommen werden sollen und – was noch schwieriger ist – welche Themen nicht. Zweitens muss die inhaltliche Tiefe der aufgenommenen Themen definiert werden. Hier ergeben sich weitere Herausforderungen dadurch, dass die Grenzen zwischen Inhalten für das Medizinstudium und die ärztliche Weiterbildung nur unscharf gezogen sind. Drittens steht die inhaltliche Breite im Medizinstudium im starken Gegensatz zur inhaltlichen Umschriebenheit und Tiefe, die die Praxis in dem spezifischen Fachgebiet kennzeichnet, in dem die Absolvent*innen letztendlich arbeiten werden. Darüber hinaus ist neben der inhaltlichen Validität auch die praktische Umsetzbarkeit zu berücksichtigen. Ein nationaler Rahmen wie der NKLM muss mit den tatsächlich zur Verfügung stehenden Unterrichtsstunden und Lehrformaten sowie der studentischen Arbeitsbelastung im Medizinstudium in Deutschland vereinbar sein. Unsere frühere Studie zum NKLM 1.0 hatte bereits dessen praktische Umsetzbarkeit infrage gestellt, da sich mit MSM nur 41% der NKLM-Inhalte abdecken ließen. Der überarbeitete NKLM 2.0 erreicht nun eine Abdeckung von 52% und damit eine verbesserte Umsetzbarkeit. Unsere Ergebnisse zeigen jedoch auf, dass eine weitere Reduzierung seines Gesamtumfangs um etwa 50% erforderlich wäre, damit die Inhalte des NKLM unter den in Deutschland geltenden Rahmenbedingungen für das Medizinstudium auch realistisch umgesetzt werden können.
Diese Studie weist mehrere Limitationen auf. Erstens basiert die Untersuchung auf einem Studiendesign, das sich auf das Curriculum des MSM an der Charité beschränkt. Andere deutsche medizinische Universitäten sind eingeladen, ihre curricularen Kartierungen mit einem ähnlichen qualitativen Inhaltsvergleich durchzuführen, um die Übertragbarkeit der Ergebnisse dieser Studie auf andere Kontexte zu ermitteln. Zweitens basiert die Kartierung der Lernziele und die Berechnung der inhaltlichen Abdeckung auf der gemeinsamen Interpretation zweier Rater*innen. Größere oder diversere Gruppen könnten zu anderen Ergebnissen kommen. Drittens basiert die Analyse auf dem explizit formulierten Curriculum. Das tatsächlich unterrichtete Curriculum kann davon abweichen. Schließlich wurden die Querverweise innerhalb des NKLM 2.0 nicht berücksichtigt. Dies könnte zu einer Überschätzung der Abdeckungsgrade in den Kapiteln V und VI geführt haben, da ggf. Deskriptoren fälschlicherweise als abgedeckt bewertet wurden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese Studie eine Verbesserung der Abdeckung des NKLM 2.0 durch die MSM-Lernziele im Vergleich zum NKLM 1.0 zeigt. Die Abdeckungsgrade variierten jedoch zwischen den einzelnen Kapiteln des NKLM 2.0, wobei sie in einigen Kapiteln zunahm und in anderen abnahm. Der insgesamt niedrige Abdeckungsgrad von 52% wirft grundlegende Fragen zur praktischen Umsetzbarkeit der aktuellen Inhalte des NKLM 2.0 unter den gegebenen Rahmenbedingungen des Medizinstudiums in Deutschland auf. Die Ergebnisse dieser Studie legen nahe, dass die Inhalte der künftigen, überarbeiteten NKLM deutlich reduziert werden sollten, um die realistische Umsetzung des Curriculums zu ermöglichen.
ORCIDs der Autor*innen
- Tabea Theurich: [0009-0002-9164-4292]
- Ylva Holzhausen: [0000-0001-8710-8257]
- Olaf Ahlers: [0000-0003-1528-7182]
- Harm Peters: [0000-0003-1441-7512]
Interessenkonflikt
Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.
Literatur
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Anhänge
Anhang 1 | Illustration der quantitativen Kartierungsverfahren (Anhang_1.pdf, application/pdf, 315.84 KBytes) |